All geared up
HF_Martini6 8.7.2022
Spätestens wenn die AEG sich wie eine Kaffeemühle anhört, steht die Gearbox im Mittelpunkt. Möchtest du aber nicht bis dahin warten oder sogar etwas am Herzstück deiner AEG arbeiten?
Hallo erstmal
Die Gearbox ist das Herzstück jeder AEG, sie ist eine Art miniaturisierter, akkubetriebener Luftkompressor welcher 1992 von Tokyo Marui entwickelt und als «Gearbox Version 1» in der FAMAS F1 auf den Markt gebracht wurde.
Aus welchen Teilen die Gearbox besteht, haben sicher schon alle mal gehört aber zur Grundlagenbildung hier eine Auflistung der Bestandteile und deren Aufgaben:
- Shell, wortwörtlich die Hülle, meistens aus Leichtmetall Legierungen gefertigt (Zink Druckguss oder CNC gefrästes Aluminium).
- Selector Plate, wird mit dem Feuerwahlhebel (Sicherungshebel) an die richtige Feuermodus Position geschoben, ist aussen an der Shell angebracht und hat oft kupferfarbene metallische Kontakte
- Nozzle, Luftaustritt (-düse), sie ist am vordersten Ende der Gearbox zu finden und leitet die verdichtete Luft in die HopUp Unit und den Lauf und sorgt für die Zufuhr von BB’s. Das Nozzle steckt auf der
- Tappet Plate, die das Nozzle im richtigen Moment etwas aus der HopUp Unit zieht um das nächste BB aus dem Magazin nachrutschen zu lassen
- Bevel Gear, das unterste Zahnrad welches in die Verzahnung des Motors greift und dessen Drehrichtung nach oben zur Gearbox dreht (wörtlich «abgeschrägtes Zahnrad»).
- Anti Reversal Latch, verhindert, dass sich die Gearbox unter Federdruck rückwärts drehen kann, ist bei Modellen mit elektronischer Regelung nicht mehr zwingend verbaut («Active Braking» genannt), sitzt zwischen dem Bevel Gear und dem
- Spur Gear, welches eigentlich nur dazu da ist um die Drehrichtung zwischen dem Bevel Gear und dem Sector Gear zu ändern.
- Sector Gear, ist das Zahnrad mit den meisten Aufgaben, es betätigt die Tappet Plate über einen Zapfen auf der einen Seite sowie den cutoff lever über eine elipsoide Achse auf der anderen. Es zieht auch den Piston (Kolben) über eine Zahnreihe zurück (Zähne nur in einem Sektor).
- Cutoff Lever/Interruptor Arm, ist unter dem Sector Gear verbaut und unterbricht im halbautomatischen Feuermodus die Stromzufuhr zum Motor, nicht mehr immer verbaut da elektronische Regelungen diese Funktion übernehmen können.
- Abzugskontakte, stellen beim Betätigen des Abzugs Kontakt her, der Motor wird direkt oder über eine elektronische Regelung durch diesen Kontakt angetrieben.
- Cylinder /-head, der Zylinder ist von aussen sichtbar und Teil des Drucksystems, der Zylinderkopf (head) beinhaltet eine Austrittsdüse auf der das Nozzle aufgesteckt wird sowie eine dünne Gummischicht auf der Innenseite zur Schlagdämpfung.
- Piston /-head, ein auf der Unterseite teil- oder ganz verzahnter Kolben. Dieser wird vom Sector Gear zurückgezogen und durch die Feder wieder nach vorne beschleunigt. Der Kolbenkopf (head) ist als dfichtendes Teil mit einem O-Ring ausgestattet.
- Spring /-guide, die Feder, welche direkt die Leistung der AEG ausmacht, sie sitzt im Kolben und stützt sich über eine (meistens) gelagerte Führung (guide) an der Rückseite der Shell ab. (Federraten werden mit der Theoretischen Mündungsgeschwindigkeit in meter/Sekunde angegeben, z.B. M105 = 105m/s = ~345FPS)
Und jetzt, alle miteinander
In der nachstehenden Animation sieht man das Zusammenspiel aller Komponenten sehr schön.
Mythen und Erzählungen
Wie bei fast allem im Airsoftbereich ranken sich natürlich auch um die Gearbox zahllose Mythen, Halbwahrheiten und Erzählungen.
AoE Korrektur
Die sogenannte “Angle of Engagement” Korrektur ist in den letzten Jahren sehr in Mode gekommen obwohl diese Praxis völlig missverstanden wurde. Nötig wurde diese Korrektur durch einen kleinen Fehler bei Gearboxen des Herstellers “Top”. Dieser baute hauptsächlich Maschinengewehre vom Typ M60, M249 und M240. Bei allen anderen Herstellern und Gearboxen ist eine AoE Korrektur Zeitverschwendung, es gibt nämlich nichts zu korrigieren.
Gearbox Radiusing
Bei dieser Technik soll eine Gearboxhülle, welche zu schwach ist, für eine stärkere Feder modifiziert werden. Dabei werden die scharfen Kanten um den Zylinder mithilfe einer Feile, Fräse oder Dremel, gerundet (Radius = runden).
Die Theorie ist nicht ganz falsch da sich an scharfen Kanten und sehr kleinen Radien, hohe Kräfte kumulieren welche Teile vorzeitig ermüden lassen (siehe Abstürze der de Havilland Comet), dass damit aber noch weitaus höhere Kräfte, als das Teil ausgelegt wurde, aufgenommen werden können ist schlichtweg falsch.
Ganz wichtig beim Brechen der Ecken ist, unbedingt saubere Radien ohne ecken und Kanten zu erzielen. Nicht zu viel Material abtragen und moderne bzw. vor allem teure Gearboxen haben bereits Radien oder sind auf viel mehr Belastung ausgelegt als überhaupt nötig.
ROF Erhöhung (auch “Short Stroking” genannt)
Nicht zwingend ein Mythos aber trotzdem eine Erwähnung und Erklärung wert.
Die effektivste Art innerhalb der Gearbox die ROF (Rate of Fire = Feuerrate) zu erhöhen, ist das Entfernen von Zähnen am Sector Gear und/oder dem Piston.
Dass diese Zahnentfernung vorsichtig und mit den richtigen Werkzeugen erfolgen muss, ist selbstverständlich. Die Entfernung der Zähne hat allerdings den nicht vernachlässigbaren Effekt, das die Leistung (in FPS/Joule) , teilweise deutlich, abnimmt.
Was wirklich zu tun ist
Es gibt so einige, meistens einfache, Arbeiten die durchgeführt werden können um die Leistung oder Langlebigkeit der Gearbox zu gewährleisten oder sogar zu verbessern.
Die 35 Rappen Reparatur
Nach einigen Jahren des Gebrauchs, oder der Verwendung von falschen Schmiermitteln wie WD-40 (das nicht mal ein Schmiermittel ist) oder Ölen, lässt die Leistung merklich nach. Schuld ist meistens die Dichtung um den Pistonhead.
Die Überprüfung und Reparatur ist denkbar einfach, Piston und Zylinder inklusive Head ausbauen, ineinander stecken so dass der Piston herausragt, auf eine ebene Fläche stellen und Finger auf den Luftaustritt halten.
Bleibt die Zylinder/Piston Kombination stehen, ist die Dichtung noch in Ordnung. Lässt sich der Piston allerdings ohne bzw. mit nur sehr wenig Widerstand in den Zylinder bewegen ist der O-Ring defekt und muss ersetzt werden.
Der neue O-Ring muss dabei unbedingt so gewählt werden, dass der Piston ohne Widerstand hin und her läuft, aber trotzdem druckdicht ist.
Fast gratis (kostet nur Geduld)
Viele Gearboxen sind von Haus aus ganz OK gelagert, die meisten würden aber eine bessere Abstimmung durchaus vertragen.
Das sogenannte Shimmen (unterlegen von Scheiben) wird leider viel zu oft vernachlässigt obwohl es die simpelste und wirkungsvollste Möglichkeit ist, die Lebensdauer der Gearbox zu verlängern. Als einziges werden spezielle Shims, die es als Set zu kaufen gibt, benötigt und etwas Geduld und Feingefühl.
Bis auf die 3 Gears und den dazugehörigen Lagern, wird dabei alles aus der Gearbox ausgebaut. Es werden dann solange Shims (bestenfalls gleichmässig) zwischen Gear und Lager gelegt, bis alle Zahnräder ohne Spiel zur Gearboxhülle (aber ohne zu klemmen) und ohne sich seitwärts zu berühren, frei laufen.
Läuft wie geschmiert
Eine der häufigsten Fragen und Stolperfallen ist die richtige Pflege oder Werkzeugwahl, bei Reparaturen, sowie welche Schmier- und/oder Reinigungsmittel einzusetzen sind.
Geht gar nicht!
Um mal die ganzen No-Go’s gleich abzuarbeiten. Küchenfette, Öle wie z.B. Olivenöl und +Werkzeug” das auf den Tisch gehört, haben an einer AEG (oder sonst einer Airsoft Replika) nichts verloren.
Ebenfalls Produkte die für Schusswaffen entwickelt wurden wie die Palette von Ballistol oder Brunox und ähnliches, schaden einer Airsoft Replika über kurz oder lang. Das bewährte allzweckmittel WD-40 und andere Rostlöser (ja, WD-40 ist kein Schmiermittel), schaden deutlich mehr als sie nutzen.
das gute Zeugs
Für die normale Pflege bieten sich handelsübliche Glasreiniger (nicht industrielle) zur äusseren Reinigung an, aber bitte nicht übertreiben, ein paar Spritzer auf ein Mikrofaser oder Baumwolltuch wirken meist Wunder.
Silikonöle werden oft zur Schmierung von Läufen und beweglichen Teilen ausserhalb der Gearbox genutzt, es muss aber zwingend sehr sparsam damit umgegangen werden, da Silikonöl Staub und Dreck wie einen Magnet anzieht. Häufiges Reinigung und Nachschmieren ist unerlässlich.
Eine bessere Alternative ist Teflon (PTFE, Trockenschmiermittel), bei stark belasteten Teilen funktioniert dies aber nur mässig.
Zur Schmierung der Gearbox Komponenten bieten sich temperaturstabile Fette mit Notlaufeigenschaften an wie z.B. Graphitfette (die eine schöne Sauerei ergeben) oder Kugellager- und Kupferfette. Lithiumfette (Lithiumseifen) werden ebenfalls häufig genutzt. Diese trocknen aber relativ schnell aus.
In den Zylinder, die HopUp Einheit oder das Nozzle dürfen auf gar keinen Fall Fette eingebracht werden, ganz allgemein gilt bei der Gearbox die Devise “Alles in Massen” und nicht “Viel hilft viel”.
Beim Thema Werkzeug scheiden sich die Geister. Wichtig ist hier einzig, dass das Werkzeug qualitativ hochwertig ist, um nicht zu Verletzungen zu führen, und für die jeweilige Aufgabe geeignet ist (also nicht mit der Kombizange eine 6-Kant Mutter anziehen). Die wichtigsten zwei Werkzeuge bei der Arbeit an einer Gearbox sind: Überlegtes Handeln, Schutzbrille
Persönliche Favoriten des Autors
Schmiermittel und Fette:
Lithiumfett (auf Mineralölbasis)
Werkzeug:
Fazit
Die Gearbox, egal welcher Version oder von welchem Hersteller, ist eine geniale Erfindung und trotz ihrer relativen Komplexität einfach zu handhaben und Pflegen. Mit etwas Übung und guten Anleitungen dürften Reparaturen oder Modifikationen locker von der Hand gehen.
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Danke für den Bericht.👍
Teilebeschreibung ist sehr Hilfreich bei Diskussionen mit Kollegen.
Das mit dem AoE sehe ich etwas anders. Wenn man wie ich alle Teile rausnimmt und Neues verbaut soll man auch den AoE überprüfen/korrigieren. Ein paar Scheiben zwischen Piston und Pistonhead zu legen und falls nötig die ersten zwei Zähne vom Piston zu bearbeiten lohnt sich und benötigt fast keine Zeit.
Ps.: Die animierte Grafik ist nice, jedoch müssten die Zahnräder in Gegenrichtung laufen 😏
vielen Dank für die Inputs, GIf Animationen sind leider ein bisschen unglücklich bei der Betrachtung aber ich werde mir nächstes Mal mehr Mühe geben.
Zur AoE Korrektur kann ich nur sagen, das Konzept das viele als Fehler oder eben AoE verschiebung wahrnehmen ist eigentlich Absicht. Der kleine Abstand wird als Runup oder dwell distance/time bezeichnet und hilft dem Motor und anderen Komponenten das Anfangsdrehmoment und dadurch die Leistungsaufnahme zu dämpfen. Top (Hersteller) hatte sich damals in den späten 1990er Jahren leider etwas verrechnet und dadurch den AoE verfehlt.